Internationaler Transfer für einen 11-jährigen


Als wir Mitte August nach Australien zogen, fuhren wir ständig an Stadien vorbei, in denen Fußball gespielt wurde. Vor allem Vincent strahlte vor Glück. Denn ein Leben ohne Fußball kann er sich schwer vorstellen. Der Fußball klebt förmlich an seinem Fuß; auch an eher unangebrachten Orten, beispielsweise im Shopping Centre oder in der Bücherei.

Umso größer war Vincents Enttäuschung als wir Mitte September hier in Newcastle nach einem Fußball-Club suchten. Plötzlich war niemand mehr auf den Fußballplätzen zu sehen. Fußball? Das wird nur im Winter gespielt, sagte man uns. Im Sommer spielen die Kids Cricket, „Tagball" oder „Footy".

Fußball nur ein Wintersport?

Ein halbes Jahr ohne Fußball muss sich für einen zehnjährigen Jungen so anfühlen wie eine lange Wanderung von Wangen nach Weimar. Unmöglich das zu schaffen! Und überhaupt: Wo ist Weimar? Also suchten wir nach Alternativen – und die Odyssee begann…

Ich rief also den australischen Fußballverband an und fragte, was es denn für Möglichkeiten zum Fußballspielen gäbe. „3x3" war die Antwort. „Three by Three" ist ein Fußballturnier auf einem Hartplatz, Teilnahmegebühr für 8 Samstagsspiele: 290 Dollar. Wir suchten ein Team, aber alle waren schon ausgebucht. Aus „3x3" wurde „3x0" – und ein trauriger Junge mit einem roten Lederball.

Dann rief ich einen lokalen Fußballclub an, der mir bestätigte, dass im Sommer Fußballpause gemacht wird. Zu heiß, wer will bei 40 Grad Fußball ohne Schatten spielen? Für mich verständlich, nicht für den kleinen Kicker.

Die Fußballakademie für angehende Gangster

Dann gab es aber doch noch einen Hoffnungsschimmer. Der Club-Präsident sagte mir, dass jeden Mittwoch Abend die „Newcastle-Fußballakademie" auf dem Platz trainieren würde. Also fuhren wir dahin und sahen lauter fußballspielende Kids in Vincents Alter. Yes! Er spielte vor und durfte mitmachen – für eine schlappe Aufnahmegebühr von 150 Dollar und 20 Dollar pro Session. Des Hausfriedenswillen zahlte ich.

Doch die Freude hielt nicht lange: Vincent ging zwei Mal ins Training und beim dritten Mal war niemand mehr da. Der Trainer war spurlos verschwunden. Und mit ihm das Geld für die Co-Trainer. Wir zahlten also etwa 200 Dolar für 3 Stunden. Guter Stundenlohn. Ein rip-off, das Geld ist wohl weg. Aber immerhin war das doch gut für etwas: Einer der Co-Trainer erzählte mir, dass er der „SAP"-Koordinator der „Charlestown Azzuris" sei. SAP? Was hat das mit Computersystemen zu tun?

Die „National Premier League" ruft…

SAP heißt „Skills Acquisition Programme" des australischen Fußballbundes. Ausgewählte Spieler dürfen in einigen wenigen Clubs in „SAP-Programmen" das ganze Jahr in der „National Premier League" (NPL) spielen. David, der SAP-Koordinator, hätte Vincent gerne für die Azzuris geworben, aber dort waren schon genügend Jungs im Team (13 Spieler max). Wieder große Enttäuschung.

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Hier noch im Bayern-Trikot, demnächst im Adamstown Rosebuds-Trikot in grün-rot zu sehen…

Kurz vor Weihnachten bekamen wir einen Anruf vom SAP-Koordinator der „Adamstown Rosebuds", einem anderen NPL-Club in Newcastle. Er hatte von David gehört, dass es einen Jungen mit Lederball am Fuß gebe, der unbedingt Fußball spielen will. Giddy up! Vincent spielte also bei den Rosebuds vor und wurde angenommen. Die Rosebuds sind wahrlich ein Traditionsclub. Sogar für deutsche Verhältnisse: Denn der Club wurde 1889 von englischen Siedlern (offensichtlich Rosenzüchtern) gegründet.

Ihr wollt nicht wissen, wie teuer das ist. Nur so viel: Für den Jahresbeitrag für das SAP-Programm könnte man etwa sieben Jahre lang Familienmitglied beim SV Deuchelried sein! Sport ist extrem teuer in Australien. Darüber schreibe ich aber demnächst mal mehr.

Internationale Transferrichtlinien müssen eingehalten werden

Vincent hatte bereits zwei Mal Training bei den Rosebuds und da war natürlich die Frage, wie wir Mitglied werden und wie das überhaupt funktioniert. Ich dachte: Ich fülle ein Formular aus und überweise das Geld. Aber Pustekuchen („Fiddlesticks!"): Wir mussten Vincent beim australischen Fußballverband anmelden und dabei wurden unglaublich viele nichtfußballrelevante Informationen abgerufen; unter anderem auch, ob er schon mal in einem anderen Land gespielt hat.

Es war ein Fehler, diese Frage mit „yes" zu antworten. Denn nun sind wir in internationalen Transferkonflikten. Denn alle Jugendlichen älter als zehn Jahre müssen bei der FIFA eine makellose „Player history" vorweisen.

Aufgeblähte FIFA-Bürokratie

Und jetzt beginnt die Papierarbeit: Wir müssen für die FFA (das australische Pendant zum DFB) ein Formular ausfüllen und folgende zusätzliche beeidigte Dokumente liefern (in englisch):

  • Documentation of academic education of parents
  • Employment contract and work permits parents
  • Work permit of parents
  • Proof of birth player
  • Proof of identity and nationality of player
  • Proof of identity and nationality of both parents
  • Proof of residence of the players parents

Dann müssen wir in einem anderen Dokument beweisen, dass wir uns beim DFB und beim letzten Verein abgemeldet haben (!) und außerdem müssen wir uns beim neuen Verein noch einige Sachen bestätigen lassen. Zum Schluss gehen alle Dokumente zum FFA, der alles prüft und dann nach Zürich zum FIFA schickt. Dort heißt es, dass es durchaus drei Monate dauern kann. Das ist doch alle unglaublich, oder? Der Junge ist 11 Jahre und will einfach ein wenig Fußball spielen…

Ich hoffe, die FIFA lässt diesen vielversprechenden Transfer von Deutschland nach Australien nicht platzen und werde demnächst mal mehr von Fußball in Australien berichten.

Vorher steht aber noch ein Blogeintrag aus über die sportlichen Aktivitäten der anderen Kinder aus. Das ist weitaus weniger kompliziert, dafür ebenfalls kostspielig.